


























Die Photographien von der 1980 in Berlin geborenen Photographin Carla Pohl konfrontieren den Betrachter mit einer weiblichen Urkraft, die sich symbolisch in den weiblichen Brüsten spiegelt. Carla Pohls Bildsprache erinnert an Darstellungen urzeitlicher Weiblichkeit wie etwa der Venus von Willendorf aus Niederösterreich (20.000 v. Chr.), die in neuer Form in der Gegenwart erscheinen. Der Weiblichkeit nähert sich Carla Pohl weniger inhaltlich, sondern stilistisch in einer Formensprache, in der es um Energie, Sinnlichkeit, Lebendigkeit und Geist geht. Kernpunkt ihrer Herangehensweise liegt im Erleben - im Sinne von er lebt. Sie geht ins Unbekannte, ins Verschollene, Verlorene, das zurückkehrt. Die Photographin läßt einen weiblichen Geist in sinnlicher Weise aufflammen. Indem sie die Ebene ins Wasser verlegt, versprühen ihre Bilder eine Urkraft, die den Betrachter in Erstaunen versetzt. Ausschnitthafte Darstellungen des Körpers sind bekannt. Bei der japanischen Photographin Miyako Ishiuchi sind es Füße und beim amerikanischen Photographen Mapplethorpe ist es der Penis. Bei Carla Pohl sind es die Brüste, die ausschnitthaft neben Mund Zunge, Augen gezeigt werden. Als hätten sich in ihrer Wahrnehmung diese Körperteile besonders eingeprägt. Indem sie die Ausschnitte wie Bruchstücke einer zerfetzten Erinnerung zusammensetzt, erzählt die Photographin eine Geschichte von Wildheit, Erotik, Authentizität, Anpassung, Abgründen und Gefahr. In der Serie „ECHORAUSCHEN“ bricht Carla Pohl mit deren dokumentarischer Darstellung der Realität. Pohls ausschnitthafte Bilder haben eine starke sinnliche Prägung, die einen neuen Stil in der Photographie markieren: den der assoziativen Mitteilung, in welcher der Photograph nicht etwas überscharf zeigt und benennt, wie es früher der Fall war, sondern nur andeutet und beim Betrachter eine eigene Assoziation sich vollziehen läßt. Bei ihr setzt sich das Bild im Betrachter fort, wo es seinen eigentlichen Raum gewinnt. Zwar findet dies bei jeder Bildbetrachtung statt, doch beim assoziativen Denken bevormundet ein Photograph den Betrachter nicht mit seiner Sichtweise, sondern der Betrachter wird gleichsam als Teilnehmender mit einbezogen. Diese Art der Photographie setzt voraus, daß ein Bild gemeinsam erlebt wird, indem ein größeres Resonanzfeld offen gelassen wird. In der Poesie wandte diese Sichtweise Pablo Neruda in seinen schönsten Gedichten an. Das Eigentliche liegt dabei im Schwingen lassen. Man baut „Inhalte“ auf Schwingungen auf. Der Künstler ist vom Erlebten ergriffen. Das Erleben bezieht sich auf alle Welten, die sichtbaren und die unsichtbaren, die bewußten und die unbewußten. Der Stoff schiebt sich unkontrolliert spontan ins Bild. Erst hinterher begreift die Künstlerin das Geschehene. Sie kann selbst nicht benennen, woher ihre Eingebungen kommen. Sie sind aus der Tiefe des Seins hervorgeholt. Zwar mögen anfangs noch konkrete Vorstellungen eine Rolle gespielt haben, doch nahmen im Laufe der Zeit die Bilder der Serie „ECHORAUSCHEN“ eine eigene Färbung, ein eigenes Wesen an, welches die Photographin nicht mehr zu steuern vermochte, als wäre eine Kraft im Spiel, die sich selbst durch die Künstlerin ausdrücken mochte. Der Titel „ECHORAUSCHEN“ kann daher nicht besser gewählt worden sein, denn die Bilder erzeugen mit ihren Rufen ein Echo im Innern des Betrachters.
Text: Gundula Schulze Eldowy
The photographs by photographer Carla Pohl, born in Berlin in 1980, confront the viewer with a primordial female power that is symbolically reflected in the female breasts. Carla Pohl's visual language is reminiscent of representations of primeval femininity such as the Venus von Willendorf from Lower Austria (20,000 BC), which appear in a new form in the present. Carla Pohl approaches femininity not so much in terms of content, but stylistically in a formal language that deals with energy, sensuality, liveliness and spirit. The core of her approach lies in experiencing - in the sense of living. She goes into the unknown, into the lost, lost that returns. The photographer lets a female spirit flare up in a sensual way. By shifting the plain into the water, her pictures radiate an elemental force that astonishes the viewer. Cut-out representations of the body are well-known. For the Japanese photographer Miyako Ishiuchi it is feet and for the American photographer Mapplethorpe it is the penis. In Carla Pohl's work, the breasts are shown as sections of the body next to the mouth, tongue and eyes. It is as if these body parts have been especially imprinted in her perception. By assembling the cutouts like fragments of a tattered memory, the photographer tells a story of wildness, eroticism, authenticity, adaptation, abysses and danger. In the series "ECHORAUSCHEN" Carla Pohl breaks with their documentary representation of reality. Pohl's cut-out pictures have a strong sensual imprint, which mark a new style in photography: that of associative communication, in which the photographer does not show and name something overly sharply, as was previously the case, but only hints at it and allows the viewer to make his own association. In this case, the image continues in the viewer, where it gains its actual space. Although this happens every time the picture is viewed, in associative thinking a photographer does not patronize the viewer with his or her viewpoint, but the viewer is included as a participant, so to speak. This type of photography presupposes that an image is experienced together by leaving a larger resonance field open. In poetry, Pablo Neruda applied this viewpoint in his most beautiful poems. The real thing lies in letting it resonate. One builds "contents" on vibrations. The artist is seized by experience. The experience refers to all worlds, the visible and the invisible, the conscious and the unconscious. The material spontaneously pushes itself into the picture in an uncontrolled way. Only afterwards does the artist grasp what has happened. She herself cannot name where her inspirations come from. They are drawn from the depth of being. Although concrete ideas may have played a role in the beginning, in the course of time the pictures of the series "ECHORAUSCHEN" took on a colouring of their own, a being of their own, which the photographer was no longer able to control, as if there was a force at play that might express itself through the artist. The title "ECHORAUSCHEN" could not have been chosen better, because the pictures create an echo inside the viewer with their calls.
Text: Gundula Schulze Eldowy